Im ersten Abschnitt dieses Blogbeitrags vertiefe und ergänze ich die Aussagen, die ich zu den Korrelationen zwischen Beteiligungs-, Vorschlags- und Umsetzungsquoten in den Blogbeiträgen zu den Ergebnissen des Jahres 2019 und des Jahres 2020 gemacht hatte. Im zweiten Abschnitt folgen Erläuterungen zu den verwendeten Begriffen aus der Welt der Statistik („Korrelation“ bzw. „Korrelationskoeffizient“, „Medianwert“, „Boxplotdiagramm“).
Zusammenhänge zwischen Beteiligungs-, Vorschlags-, Umsetzungsquote
Alle Korrelationen zwischen diesen Kennzahlen sind stark (Korrelationskoeffizienten > 0,9). Mit der Beteiligungs- steigt die Vorschlagsquote, und mit der Vorschlags- steigt die Umsetzungsquote. Umgekehrt findet sich eine hohe Umsetzungsquote nur dort, wo die Vorschlagsquote hoch ist, und diese ist nur dort hoch, wo die Beteiligungsquote hoch ist. Das wird in den Boxplot-Diagrammen (Abbildung 1) besonders deutlich.
- Es gibt kein Unternehmen, in dem bei einer Beteiligungsquote über 40% weniger als 0,6 Vorschläge pro Mitarbeiter eingereicht werden – und es gibt kein Unternehmen, das bei einer Vorschlagsquote über 1 VV/MA weniger als 0,4 Vorschläge pro Mitarbeiter umsetzt.
- Umgekehrt gibt es bei einer Beteiligungsquote unter 10% kein Unternehmen mit mehr als 0,3 eingereichten Vorschlägen pro Mitarbeiter – und es gibt kein Unternehmen, das bei einer Vorschlagsquote unter 0,4 VV/MA mehr als 0,4 Vorschläge pro Mitarbeiter umsetzt.
Abbildung 1: Zusammenhänge zwischen Vorschlagsquote und Beteiligungsquote (links) bzw. Umsetzungsquote und Vorschlagsquote (rechts); visualisiert in Boxplotdiagrammen jeweils für vier nach Beteiligungsquoten bzw. Vorschlagsquoten eingeteilte Klassen von Unternehmen (siehe auch Abbildung 5 im Blogbeitrag zu den Ergebnissen 2020 sowie Abbildungen 2 und 3 im Blogbeitrag zu den Ergebnissen 2019):
Diese Zusammenhänge kann man wie folgt interpretieren:
- Eine hohe Beteiligung darf zweifellos als direkte Ursache einer großen Vorschlagsmenge verstanden werden: Jeder Einreicher mehr bringt automatisch auch (mindestens) einen Vorschlag mehr mit sich.
- Ob umgekehrt auch eine große Zahl von Vorschlägen mehr Mitarbeiter verlockt, ebenfalls mitzumachen (also ein sich gegenseitig verstärkender Effekt eintritt), darüber lässt sich nur spekulieren. Ggf. könnte das durch Befragungen von Ersteinreichern ermittelt werden (z.B. Häufigkeit der Antwort „ich wurde durch andere Vorschläge angeregt oder ermutigt“).
- Modifizierende Variablen dieses Zusammenhangs sind die Anteile der „Mehrfacheinreicher“ (erhöhen bei gleicher Beteiligung die Vorschlagsquote) und der „Gruppenvorschläge“ (verringern bei gleicher Beteiligung die Vorschlagsquote).
- Die Umsetzungsquote ist dann und deshalb hoch, wenn und weil die Vorschlagsquote hoch ist. Dies ist auch deshalb so, weil der Anteil umgesetzter Vorschläge nicht abnimmt, wenn die Anzahl der eingereichten Vorschläge größer wird.
- Auch hier wäre ein umgekehrter Effekt zumindest denkbar: Je mehr Verbesserungen insgesamt umgesetzt werden, desto eher fühlen sich Mitarbeiter vielleicht ermutigt, erneut oder erstmals Vorschläge einzureichen. Manche Unternehmen kennzeichnen alle umgesetzten Vorschläge mit einem Aufkleber, um den Mitarbeitern zu signalisieren, dass ihre Ideen fruchten (siehe Abbildung 2 im Blogbeitrag „Erfahrung der Selbstwirksamkeit im Ideenmanagement“).
Mehr zu Korrelationen, Zusammenhängen und Einflussfaktoren
Während sich der Begriff „Korrelation“ auch umgangssprachlich verwenden lässt (etwa im Sinne von „irgendeine Wechselbeziehung…“), werden „Korrelationskoeffizienten“ als Maß für die Stärke und Richtung des Zusammenhangs mathematisch berechnet. Es gibt verschiedene „Sorten“ von Korrelationskoeffizienten, deren Unterschiede und jeweils verwendeten Formeln für Nicht-Statistiker nicht sonderlich interessant sind – zumal die zum Ideenmanagement verfügbaren „Messgrößen“ nicht einmal präzise definiert sind.
- Schon was als „Idee“ gezählt wird, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich; noch mehr klafft auseinander, wie Einsparungen berechnet werden. Zuviel auf „exakt“ berechnete Korrelationskoeffizienten zu geben, hieße also „hochgenaues Rechnen mit ungenauen Zahlen“ zu betreiben. Gleichwohl ist die Berechnung von Korrelationskoeffizienten durchaus hilfreich, um sie als weitere Indizien für die Bewertung der auch mit viel einfacheren Mitteln sichtbaren Zusammenhänge heranzuziehen und als grobe Anhaltspunkte anzugeben.
- Korrelationskoeffizienten können Werte zwischen –1 und +1 annehmen. Bei Werten nahe +1 (bzw. –1) besteht ein starker positiver (bzw. negativer) Zusammenhang. Bei Werten nahe 0 besteht kein, dazwischen ein entsprechend schwächerer oder stärkerer Zusammenhang.
- Eine Korrelation sagt immer nur etwas über den statistischen Zusammenhang auf – erlaubt aber keine Rückschlüsse auf das Bestehen und die Richtung einer (kausalen) Ursache-Wirkungsbeziehung. Wenn zwei Messgrößen A und B (statistisch) korrelieren, kann das daran liegen, dass A Einfluss auf B hat, oder dass B Einfluss auf A hat, oder auch, dass gar keine Wechselwirkung zwischen A und B besteht, sondern beide von einer dritten Größe C beeinflusst werden. Ein schönes Beispiel für eine statistische Korrelation, der kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beiden betrachteten Größen entspricht, zeigt eine Grafik mit den Werten der Storchenpopulation und der Geburtenrate in Baden-Württemberg.
- Interpretationen von Korrelationen als Kausalzusammenhänge lassen sich also immer nur auf der Basis von Plausibilitätsbetrachtungen mit Hilfe anderweitig gewonnener Kenntnisse und Praxiserfahrungen begründen.
Die Gesamtheit der im Kennzahlenvergleich 2021 ermittelten Korrelationskoeffizienten ist in Abbildung 2 gezeigt (siehe auch Abbildung 7 im Blogbeitrag zu den Ergebnissen 2020).
Abbildung 2: Korrelationen zwischen Kennzahlen des Ideenmanagements. Die Farbintensität und die Stärke der Umrandungen der flächigen Pfeile geben die Stärke der jeweiligen Korrelation wieder (gemessen am Mittelwert der Korrelationskoeffizienten 2018-2021); die Farbe zeigt, ob die Größen positiv (grün) oder negativ (rot) korrelieren. In den Auswertungen für die Teilnehmer am Kennzahlenvergleich Ideenmanagement sind in diesem Diagramm auch die konkreten Zahlenwerte angegeben (hier nur der Platzhalter „x“).
Boxplotdiagramme und Medianwerte
Zusammenhänge lassen sich nicht nur mit Korrelationskoeffizienten beziffern, sondern auch in verschiedenen Arten von Diagrammen veranschaulichen – oft mit einer größeren Aussagekraft. In der oben gezeigten Abbildung 1 habe ich sogenannte „Boxplotdiagramme“ verwendet.
Ein Boxplotdiagramm ist wie folgt aufgebaut:
- Der untere senkrechte Strich beginnt beim kleinsten Wert, den ein Unternehmen in dieser Gruppe aufweist. Auf seiner Länge verteilen sich die Werte des untersten Viertels.
- Auf den unteren Teil des farbigen Kästchens verteilt sich das zweituntere Viertel.
- Der waagerechte Strich in der Mitte des Kästchens markiert den „Medianwert“: Jeweils eine Hälfte der Unternehmen hat geringere bzw. höhere Werte. Dieser Wert ist in vielen Fällen aussagkräftiger als der arithmetische Mittelwert (umgangssprachlich: Durchschnittswert), weil er durch Ausreißer nicht verfälscht wird.
- Auf den oberen Teil des farbigen Kästchens verteilt sich das zweitobere Viertel.
- Der obere senkrechte Strich endet beim größten Wert, den ein Unternehmen in dieser Gruppe aufweist. Auf seiner Länge verteilen sich die Werte des obersten Viertels.
Abbildung 3: Ein Boxplotdiagramm visualisiert die Häufigkeitsverteilung von Werten jeweils in der Aufteilung von 25% der Werte: Es zeigt, wo das oberste Viertel der Daten, das obere mittlere, das untere mittlere und das unterste Viertel liegt.
Boxplotdiagramme zeigen damit zusätzlich zur Korrelation („Ansteigen der Werte von links nach rechts …“) weitere Details – etwa, wenn es in einer Gruppe von Unternehmen, die insgesamt „höhere“ (Median-, Durchschnitts-) Werte hat, durchaus auch Unternehmen mit deutlich geringeren Werten gibt (und umgekehrt). Wie nützlich das ist, um voreilige Aussagen zu vermeiden, zeigt sich vor allem dann, wenn Korrelationen etwas schwächer sind – darauf gehe ich in einem nachfolgenden Blogbeitrag zu Einflüssen auf die Einsparung noch näher ein.
Lesen Sie auch die anderen Blogbeiträge mit Bezug zu den Ergebnissen des „Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2021“:
- Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021 – Ergebnisse 1: Ressourcen und Aktivitäten
- Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021 – Ergebnisse 3: Einflüsse auf die Einsparung
Einen Blick auf den Zusammenhang der Kennzahlenentwicklung mit dem Umfang von Kurzarbeit in Coronazeiten finden Sie in meinem Artikel „Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2021“ im Heft „Ideen- und Innovationsmanagement 03/22“ (Erich Schmidt Verlag, Berlin).
Merken Sie sich bereits jetzt Ihre Teilnahme am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ 2024 vor! Das Datenblatt steht ab November 2024 auf meiner Webseite hier zum Download bereit, die Datenerfassung läuft im ersten Quartal 2025.
Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.
Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.