Best Practice Beispiel: Der WAREMA Verbesserungsprozess

Im letzten Blogbeitrag wurde deutlich, dass Prämien für jeden einzelnen Vorschlag zwar weitverbreitet sind, aber noch lange nicht zu höherer Motivation und stärkerer Beteiligung führen. Wenn Mitarbeiter so behandelt werden, wie sie es nach den Grundsätzen von „Treu und Glauben“ erwarten dürfen – also angemessen, gerecht und fair – kann ein Ideenmanagement auch erfolgreich sein, indem es Engagement auf ganz andere Weise honoriert. Bei der WAREMA Renkhoff SE gelingt dies mit einem ganzheitlichen System, das KVP und Verbesserungsvorschläge in die Innovationslandschaft integriert und anstelle von Einzelprämien Anreize durch die allgemeinen Entgeltregelungen vorsieht.

Das Unternehmen

Die 1955 von Hans-Wilhelm Renkhoff und Karl-Friedrich Wagner im unterfränkischen Marktheidenfeld gegründete Firma WAREMA hat sich zu einem global agierenden Unternehmensverbund mit weltweit über 5.000 Mitarbeitern entwickelt. Er wird heute von der Tochter des Firmengründers, Angelique Renkhoff-Mücke, geführt und gliedert sich in die Sparten Sonne & Lebensräume sowie Kunststoff & Engineering. Als führender Anbieter von Sonnenschutzlösungen und Services besteht der Anspruch, einen wichtigen Beitrag zur Wohlfühlatmosphäre und zur Lebensqualität der Menschen zu leisten.

 

Der Verbesserungsprozess in der Innovationslandschaft bei WAREMA

Der WAREMA Verbesserungsprozess WVP hat eine lange Tradition, mittlerweile ist er ein Teil des gewachsenen Selbstverständnisses. Seitdem vor über zwanzig Jahren in der Produktion Gruppenarbeit eingeführt wurde, finden regelmäßig ca. halbstündige Gruppengespräche statt, in denen es stets auch um Kontinuierliche Verbesserung (KVP) geht. Die Verantwortung für den KVP liegt bei den Führungskräften in den Fachbereichen, die Bearbeitung wird von KVP-Moderatoren begleitet. Neben Vorschlägen, die auf Optimierungen im jeweils eigenen Arbeitsumfeld zielen, erfasst der WVP auch Verbesserungsideen für übergreifende Prozesse.

Während anfangs Ideen auf KVP-Karten geschrieben und mit Magneten an Teamboards geheftet wurden, gibt mittlerweile eine App allen Mitarbeitern die Möglichkeit, Vorschläge auch über private mobile Endgeräte einzureichen. Diese App wird gemeinsam mit dem auf Produkte fokussierten Ideenmanagement genutzt – für den Mitarbeiter bietet sich daher ein einheitlicher Zugang unabhängig davon, ob er eine Idee zur Verbesserung seines Arbeitsumfelds, eines übergreifende Prozesses oder eines Produkts vorschlagen möchte:

  • KVP-Vorschläge, die das Arbeitsumfeld in der eigenen Gruppe betreffen, werden direkt dem digitalen Board zugeordnet.
  • Verbesserungsvorschläge zu übergreifenden Prozessen wie Nachhaltigkeit oder Datensicherheit können an die dafür jeweils zuständigen zentralen Teams, Vorschläge mit dem Fokus auf verbesserte oder neue Produkte an die Vorentwicklung gerichtet werden.
  • Falls der Einreicher im Zweifel ist, wo seine Idee am besten aufgehoben ist, kann er sie auch an die WVP-Zentrale senden, die sie dann dem zuständigen Bereich zuordnet.

Dank der App hat sich auch der administrative Aufwand für die WVP-Zentrale deutlich reduziert. Wenn die Anzahl an KVP-Vorschlägen aus einer Gruppe stark zurückgeht, wird automatisch eine E-Mail an den Teamleiter ausgelöst: „Wir vermissen Dich!“

Mit den voranstehend beschriebenen Funktionen und Verknüpfungen ist der WVP ein Teil der Innovationslandschaft bei Warema. Eine ganz andere dort verortete Einheit mit dem Namen „REthink55“ gibt allen Mitarbeitern der WAREMA Group die Möglichkeit, über neue Wege für WAREMA nachzudenken. Das „RE“ steht für Renkhoff, den Firmengründer, die „55“ für das Gründungsjahr 1955. „rethink“ bedeutet in Englisch „neu denken“ oder auch „weiterdenken“.

  • Mitarbeiter können sich bei „REthink55“ mit Ideen für Geschäftsmodellinnovationen bewerben, deren Umsatzpotenzial über 1 Mio. Euro liegt. Falls die Bewerbung angenommen wird, erhalten sie eine Woche Zeit, um die Idee bis zum ersten Pitch zu konkretisieren.
  • Nach einem positiven Voting stehen ihnen für die weitere Ausarbeitung vier Wochen sowie methodische Unterstützung (z.B. für Design Thinking) durch einen Coach zur Verfügung.
  • Nach einem zweiten Pitch können sie ein halbes Jahr darauf verwenden, das Geschäftsmodell bis zur Gründung eines Start-ups weiterzuentwickeln.

Im Laufe des mittlerweile fünfjährigen Bestehens dieser Einheit haben bereits drei erfolgreiche Ausgründungen stattgefunden.

Blog 97 InnoLandschaft 2024 07 10

Abbildung: Die Innovationslandschaft bei Warema

 

Von Verbesserungen auch ohne Einzelprämien profitieren

Schon früh wurde die Gruppenarbeit in der Produktion mit Gruppenentlohnung verknüpft, mittlerweile wurde auch im Angestelltenbereich von Zeitlohn auf Gruppenentlohnung umgestellt. Im Rahmen dieses Entlohnungssystems können Mitarbeiter auf mehrere Arten profitieren, wenn sie zu Verbesserungen beitragen:

  • Durch die aktive Beteiligung am KVP-Prozess, sei es durch das Einreichen von Vorschlägen oder durch die aktive Beteiligung bei deren Umsetzung, profitiert der Mitarbeiter bei der Einstufung in seiner Qualifizierungsmatrix. Unter Umständen kann auch die Einstufung in eine höhere Entgeltstufe erfolgen.
  • Auch bei der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung wird die Mitwirkung am WVP berücksichtigt und beeinflusst somit die individuelle variable Zulage, die jedes Jahr neu festgelegt wird.
  • Über eine Produktivitätsprämie (als Teil des Gruppenlohns) profitiert die Gruppe als Ganzes. Vorschläge aus der Gruppe, die zu Verbesserungen der Produktivität führen, gleichen den Rationalisierungsfaktor aus bzw. führen zu höheren Prämien.

Neben diesen direkten monetären Benefits sind im WVP eine Reihe weiterer Anreize vorgesehen:

  • Monatlich werden die Top 10 Teams mit den meisten Vorschlägen in Aushängen vorgestellt.
  • Jährlich werden die Top 3 Teams nach absoluter Anzahl der umgesetzten Vorschläge sowie die der Top 3 Teams nach Anzahl der umgesetzten Vorschläge pro Mitarbeiter in der Gruppe gewürdigt. Dabei spricht der Produktionsleiter den Teams seine Anerkennung aus und überreicht Urkunden. Außerdem erhält jedes Gruppenmitglied einen Kantinengutschein im Wert von 5 Euro, und in der Mitarbeiterzeitung wird entsprechend berichtet.
  • Unterjährige Sonderaktionen bestehen beispielsweise in Verlosungen von 5 Tankgutscheinen im Wert von 20 Euro unter allen in einem Monat eingereichten Vorschlägen, in sommerlichen Verlosungen von Eisgutscheinen oder in Adventsverlosungen, bei denen die beim „Öffnen der Türchen“ zum Vorschein gekommenen Inhalte (Gegenstand oder Gutschein im Wert von ca. 20 Euro) unter allen bis dahin eingereichten Vorschlägen des Jahres verlost werden.
  • Durch die Anwesenheit des Produktionsleiters bei Gutscheinübergaben wird die Bedeutung des Themas unterstrichen.
  • Vorschläge, mit denen eine „runde Zahl“ (z.B. 10.000-ter Vorschlag) erreicht wird, werden besonders gewürdigt.
  • In einem kurzen Video dankt die Vorstandsvorsitzende, Frau Renkhoff-Mücke, Einreichern für ihre Idee. Dieses Dank-Video erscheint, sobald ein Einreicher seine Idee absendet.
  • Nicht zuletzt finden im Rahmen des Bildungsprogramms jährlich halbtägige Veranstaltungen statt, in denen Mitarbeiter in ihrer Gruppe umgesetzte Vorschläge Teilnehmern aus anderen Gruppen vorstellen. Die dabei angebotene Bewirtung und Besuche am Ort des Geschehens machen dieses Format zusätzlich attraktiv.

Die Beträge, um die es bei diesen Aktionen geht, sind bewusst relativ niedrig gehalten, um keine falschen Anreize zu setzten, Vorschläge nur im Hinblick auf mögliche Verlosungsgewinne zu produzieren. Statt dessen sollen die Aktionen im Sinne des Marketings dazu beitragen, durch Präsenz das Thema im Bewusstsein wachhalten und durch den spielerischen Charakter zu einer Beteiligung zu motivieren. Dass dies gelingt, zeigen auch die Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement, bei denen WAREMA zuletzt eine Beteiligungsquote von fast 25% und einen Umsetzungsanteil von über 80% aufwies.

Fazit: Es gibt viele Wege, wie Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen von Verbesserungen profitieren können. Das Wichtigste bei der Gestaltung von Honorierungs- und Entgeltsystemen ist die Passung zur Anerkennungskultur und -philosophie des eigenen Unternehmens!

 

Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.

 

Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.

Burkhard Krug

Burkhard Krug ist mit Leib und Seele ein WAREMAner. Als erfahrener Optimierungsspezialist nimmt er mit seinem Team Abläufe und Prozesse unter die Lupe. Dabei setzt er die Schwerpunkte auf die Einbindung der Mitarbeitenden und direkte Umsetzungen von Verbesserungen.

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