Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2022 – Ergebnisse

Geschrieben von: Dr. Hartmut Neckel am: 02.05.2023

  • Themen: Aktuelle Kennzahlen im Ideenmanagement, Benchmarking im Ideenmanagement, Prämierungsvarianten im Ideenmanagement, aktuelle Herausforderungen für das Ideenmanagement

Zum fünften Mal in Folge liefert der Kennzahlenvergleich Ideenmanagement die umfassendste und aussagekräftigste jährliche Bestandsaufnahme zum Stand des Ideenmanagements. Die 255 teilnehmenden Unternehmen stehen für über 1,5 Mio. Beschäftigte. Die Ergebnisse sind diesmal besonders interessant, da sie Rückschlüsse darauf zulassen, wie sich verschiedene Prämierungsarten oder der Umgang mit typischen Herausforderungen auf den Erfolg des Ideenmanagements auswirken.

Die aktuellen Zahlenwerte: Kaum verändert gegenüber dem Vorjahr

Gegenüber den Jahren 2020 und 2021 sind die Veränderungen im Jahr 2022 gering. Vor dem Hintergrund, dass sowieso „Äpfel mit Birnen verglichen“ werden, kann man – positiv gesehen – von Stabilität sprechen. Bei einem Vergleich der Werte im Zeitraum 2018 bis 2022 fallen vor allem die gravierenden Veränderungen zu Beginn der Corona-Krise auf, also zwischen den Jahren 2018 und 2019 einerseits und den Jahren 2020 bis 2022 andererseits (siehe Abbildung 1).

  • Bei der Vorschlagsquote und der Umsetzungsquote sind die Rückgänge besonders ausgeprägt. So lagen die Medianwerte für beide Kennzahlen im Jahr 2022 deutlich unter der Hälfte der Werte im Jahr 2018.
  • Der Rückgang der Einsparungsquote ist deutlich geringer. Hier erreichte der Medianwert im Jahr 2022 knapp 75% des Werts von 2018. Mit weniger als der Hälfte der Vorschläge wurden also immer noch fast drei Viertel der Einsparung erzielt.
  • In Kombination beider Entwicklungen ist es nicht verwunderlich, dass die Einsparung pro umgesetzten Vorschlag angestiegen ist: Dies spiegelt lediglich wider, dass die Einsparungsquote weniger zurückgegangen ist als die Umsetzungsquote.
  • Kaum Veränderung zeigen nach wie vor die Medianwerte für den Umsetzungsanteil und für den Abarbeitungsanteil. Für beide Kennzahlen liegen die Werte im Jahr 2022 bei etwa 90% der Werte von 2018.

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Abbildung 1: Veränderung ausgewählter Kennzahlen im Jahresvergleich (2018 = 100%).

Erklärungsansätze: Den drastischen Rückgang der Vorschlagsquote im ersten Corona-Jahr 2020 wird man sich als direkte Auswirkung der Corona-Krise erklären dürfen. Lockdowns, Kurzarbeit und die Verlagerung von Tätigkeiten ins Homeoffice sind Stichworte für einen Ausnahmezustand, in dem das Ideenmanagement (wie vieles andere auch) schlichtweg zu kurz kam. Die Frage stellt sich dann, wieso es im Jahr 2022, als es keine Lockdowns mehr gab und die Kurzarbeit wieder fast auf Vor-Corona-Niveau gesunken war, zu keiner Trendwende bei den Kennzahlen im Ideenmanagement gekommen ist? Hier einige Hypothesen:

  • Statt als ein Hebel zur Beeinflussung der Stimmung in Unternehmen lässt sich Ideenmanagement eher als ein Indikator oder Messinstrument für die Stimmung verstehen. Angst vor Corona und seinen Folgen wurde im Jahr 2022 abgelöst durch Angst vor Krieg und Energiekrise. Hinzu kam ein gewisses Erschöpfungsgefühl nach zwei Jahren „Corona-Schlauch“. Das ist kein guter Nährboden für Ideen und Kreativität. Dies mag eine Erklärung dafür sein, dass die Beteiligungs- und noch mehr die Vorschlagsquote zuerst stark zurückgingen und dann noch nicht wieder angestiegen sind.
  • Um zu vermeiden, in eine Notlage zu geraten, haben sich viele Unternehmen in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 auf das Notwendigste konzentriert. Bezogen auf Ideenmanagement waren das vor allem die einsparwirksamen Vorschläge, die weiterhin gefördert, eingereicht und bevorzugt aufgegriffen wurden.
  • Zweifellos war ein nennenswerter Anteil der 2020 und 2021 verzeichneten Einsparungen Vorschlägen zu verdanken, die bereits 2019 und vorher eingereicht worden waren. Unternehmen zehrten in der Krise also vom „Ideenvorrat“. Im Jahr 2022 dürfte dieser Vorrat größtenteils aufgebraucht gewesen sein – was jetzt noch an Einsparung erzielt wurde, geht zum größten Teil auf „frische“ Vorschläge zurück.
  • Offenbar blieb die Anzahl dieser „frischen“ Vorschläge in vielen Unternehmen oberhalb der „kritischen Schwelle“, oberhalb der die Chancen auf („zufällige“) einsparwirksame Ideen weitgehend unabhängig von der Anzahl der Vorschläge ist (siehe Blogbeiträge „Zur Diskussion: Bringen mehr Ideen mehr Geld?“ und „Die drei Prinzen von Serendip – oder: Vom Zufall der guten Einfälle“). Die Aussage, dass eine Verdopplung der Vorschlagszahlen keineswegs eine Verdopplung der Einsparung zur Folge haben muss, bedeutet eben auch, dass eine Halbierung der Vorschlagszahlen keineswegs mit einer Halbierung der Einsparung einhergehen muss!
  • Möglicherweise hat das Ergebnis, mit weniger Vorschlägen (und Bearbeitungsaufwand) immer noch von einem im Vergleich dazu deutlich weniger reduzierten Einsparungsniveau profitieren zu können, in manchen Unternehmen auch dazu geführt, gar nicht erst eine Rückkehr der Vorschlagszahlen auf das Vor-Corona-Niveau anzustreben. Ein solcher Effekt mag (neben den neuen Nöten des Jahres 2022) ebenfalls dazu beigetragen haben, dass die Beteiligungs- und Vorschlagsquoten im Jahr 2022 unverändert niedrig blieben.
  • Die zwar geringen, aber doch eindeutig vorhandenen Rückgänge des Umsetzungsanteils und des Abarbeitungsanteils dürften mit der stärkeren Fokussierung zusammenhängen, nur die Vorschläge anzupacken, die unmittelbar nutzbringend sind. Die Erfordernis einer derartigen Priorisierung besteht in vielen Unternehmen auch durch den zunehmenden Personalmangel: Sowohl im Ideenmanagement als auch für die Bearbeitung und Umsetzung fehlen schlichtweg die Leute, die sich um die Ideen kümmern könnten, die zwar gut und nützlich, aber eben nicht „not-wendig“ sind. Der Rückgang des Abarbeitungsanteils könnte zudem als Folge von insgesamt während der Krise destabilisierten Prozessen gedeutet werden.

Rein theoretisch wäre auch die geänderte Zusammensetzung der Teilnehmer am Kennzahlenvergleich als Ursache für die beobachteten Veränderungen denkbar. Die Anzahl der Teilnehmer war für die Jahre 2018 und 2019 mit 109 und 135 noch deutlich kleiner als zuletzt in den Jahren 2021 und 2022 mit 239 bzw. 255 Teilnehmern. Es könnte ja sein, dass das Ideenmanagement bei den Teilnehmern „der ersten Stunde“ einen höheren Stellenwert besitzt und daher sowieso bessere Kennzahlen aufweist als bei den erst später dazugekommenen Teilnehmern. Ein zur Überprüfung dieser These durchgeführter Vergleich zwischen den Kennzahlen von 2018 und 2022 für nur die Unternehmen, die in beiden Jahren am Kennzahlenvergleich teilgenommen hatten, zeigt zwar, dass viele dieser Unternehmen (aber durchaus nicht alle!) tatsächlich überdurchschnittlich gute Kennzahlen aufweisen. Aber er zeigt auch für die meisten dieser Unternehmen sowohl Rückgänge in einem fast ebenso großen Ausmaß wie bei den jeweiligen Gesamtheiten der verschiedenen Jahre als auch das Ausbleiben eines Wiederanstiegs im Jahr 2022. Fazit: Der „Corona-Effekt“ ist wesentlich stärker als der „Teilnehmer-Auswahl-Effekt“, weshalb letzterer als Erklärungshypothese vernachlässigt werden kann.

Betonen möchte ich zudem, dass sich alle voranstehenden Aussagen auf Trends im Durchschnitt aller teilnehmenden Unternehmen beziehen. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Unternehmen, die diesen Trends völlig entgegenlaufende Entwicklungen verzeichnen, indem etwa die Beteiligungs- und Vorschlagsquoten in den letzten fünf Jahren stabil blieben oder sich sogar nochmals deutlich erhöht haben.

Die Tabellen mit den Median- und arithmetischen Durchschnittswerten der einzelnen Jahre 2018 – 2022 für alle erhobenen Kennzahlen sowie deren Definitionen finden Sie hier. /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden zudem eine tabellarische Zusammenstellung der Zahlen aller Jahre, deren Visualisierung in Balkendiagrammen und weiterführende Erläuterungen auf den Seiten 16-18 ihres individuellen Ergebnisberichts./

 

Korrelationen und Zusammenhänge: Frühere Aussagen bestätigt

Die bereits in den Blogbeiträgen zu früheren Kennzahlenvergleichen beschriebenen Korrelationen und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Kennzahlen wurden auf der nochmals vergrößerten Datenbasis von nun 255 Unternehmen eindrucksvoll bestätigt.

Daher verweise ich hier nur auf die entsprechenden Ausführungen im Blogbeitrag „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021 – Teil 2: Zahlen und ihre Korrelationen“. Dort finden Sie auch Erläuterungen zu Begriffen aus der Welt der Statistik („Korrelation“ bzw. „Korrelationskoeffizient“, „Medianwert“, „Boxplotdiagramm“. /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die aktuellen Diagramme und ausführlichere Beschreibungen auf den Seiten 33-36 ihres individuellen Ergebnisberichts./

 

Ergebnisse des ergänzenden Benchmarking: Durchlaufzeiten, Prämien, Herausforderungen

Wie im Blogbeitrag „Was im Ideenmanagement am meisten interessiert: Zeit und Geld“ vorgestellt, stimmen jeweils die Teilnehmer am vorangegangenen Kennzahlenvergleich darüber ab, mit welchen Themen das Benchmarking im nächsten Jahr ergänzt werden soll. Für den Kennzahlenvergleich 2022 waren so folgende zusätzliche Themen ausgewählt worden:

  • Durchlaufzeiten und Anteil der „Langläufer“
  • Anzahl bzw. Anteil der Vorschläge mit einer errechneten Einsparung
  • Verwendete Prämierungs- und Honorierungsvarianten
  • Bewältigte oder noch bevorstehende Herausforderungen

Neben Informationen über die Häufigkeitsverteilungen entsprechender Werte und Einflussfaktoren liefert die Auswertung Antworten auf eine Vielzahl von Fragen:

  • In welchem Ausmaß wirken sich lange Durchlaufzeiten (nachteilig) auf die Beteiligungs- und Vorschlagsquoten aus? Sind die Durchlaufzeiten in Unternehmen mit hohen Beteiligungs- und Vorschlagsquoten tendenziell länger als in Unternehmen, in denen nur wenige Vorschläge pro Mitarbeiter zu bearbeiten sind? /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die Antworten auf diese Fragen auf den Seiten 19-22 ihres individuellen Ergebnisberichts./
  • Wie hängen der „Anteil der rechenbaren an den umgesetzten Vorschlägen“ oder die „Quote der rechenbaren Vorschläge pro Mitarbeiter“ mit der Einsparungsquote zusammen? /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die Antworten auf diese Fragen auf den Seiten 23-25 ihres individuellen Ergebnisberichts./
  • Wie verbreitet sind noch andere Prämien- und Honorierungsvarianten außer finanzielle Prämien (letztere finden sich in 97% der teilnehmenden Unternehmen)? In welchem Ausmaß gibt es nicht-materielle Honorierungsvarianten (z.B. Zeit, Erlebnisse, soziale Incentives)? Welche Prämien- und Honorierungsvarianten haben den größten Einfluss auf die Beteiligungs- und Vorschlagsquoten? Gehen etwa Anerkennungsprämien für nicht umgesetzte Vorschläge mit höheren Vorschlagsquoten einher? Führen solche Anerkennungsprämien tatsächlich zu geringeren Umsetzungsanteilen? Gibt es Prämien- und Honorierungsvarianten mit signifikanten Einflüssen auf die Einsparungsquote? Wie unterscheiden sich die Prämien- und Honorierungsvarianten zwischen Unternehmen, die die „Attraktivität des Prämien- und Incentivesystems“ als Herausforderung bereits bewältigt haben, und Unternehmen, denen die Bewältigung dieser Herausforderung noch bevorsteht? /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die Antworten auf diese Fragen auf den Seiten 26-28 ihres individuellen Ergebnisberichts./
  • Welche Rolle spielt es, ob Herausforderungen wie etwa die „Funktionalität der Software / IT“, die „Attraktivität des Prämien- und Incentivesystems“, die „Reorganisation des Workflows“, die „Erneuerung / Modernisierung der Betriebsvereinbarung“, die „Berechnung des Impacts auf CO2-Einsparungen / Klimaneutralität“ oder die „neuen Anforderungen durch Home- / Mobile-Office, New Work“ noch bevorstehen oder bereits bewältigt wurden? /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die Antworten auf diese Fragen auf den Seiten 29-32 ihres individuellen Ergebnisberichts./

 

Teilnehmende Unternehmen: (Fast) alle Größen und Branchen

Auch für das Jahr 2022 haben sich wieder Unternehmen der unterschiedlichsten Größen (von unter 20 bis über 200.000 Mitarbeiter, siehe Abbildung 1) und Branchen (siehe Abbildung 2) beteiligt. Dabei stellen Unternehmen unter 1.000 Mitarbeiter rund 40% der Teilnehmer.

  • Produktionsunternehmen machen knapp vier Fünftel der Teilnehmer aus. Mit jeweils mindestens 20 Teilnehmern sind die Schlüsselbranchen „Automobilindustrie und Zulieferer“, „Chemieindustrie, Biotechnologie“, „Maschinen- und Anlagenbau“ sowie „Metallver- und -bearbeitung, Stahl, Gießereien“ besonders stark vertreten und wurden zusätzlich separat ausgewertet. /Teilnehmer am Kennzahlenvergleich finden die branchenbezogenen Analysen auf den Seiten 52-53 ihres individuellen Ergebnisberichts./
  • Außer Industriebetrieben nehmen auch Unternehmen aus den Bereichen Handel, Banken, Versicherungen und andere Dienstleistungen, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe sowie Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes in einem nennenswerten Umfang teil.

Blog 77 2 Anzahl MA 2023 05 02

Abbildung 2: Größenverteilung der teilnehmenden Unternehmen

Blog 77 3 Branchen 2023 05 02

Abbildung 3: Branchen der teilnehmenden Unternehmen

 

Weitere Informationen zu den Ergebnissen und zur Resonanz finden Sie im Heft „Ideen- und Innovationsmanagement 02/23“ (Erich Schmidt Verlag, Berlin) und in der aktuellen Pressemitteilung.

Merken Sie sich bereits jetzt Ihre Teilnahme am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023" vor! Das Datenblatt steht ab November 2023 auf der Benchmark-Webseite zum Download bereit, die Datenerfassung läuft im ersten Quartal 2024.

Mehr zum Konzept des „Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement“ und zu den Vorteilen einer Teilnahme können Sie in folgenden Blogbeiträgen lesen:

 

Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.

Dr. Hartmut Neckel

Dr. Hartmut Neckel

Zum Autor: Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr

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