So machen Sie aus Ideen das Beste

Geschrieben von: Dr. Hartmut Neckel, Simone Renz am: 29.10.2024

  • Themen: Aktuelle Kennzahlen und Benchmarking im Ideenmanagement; Mehrfachnutzung von Vorschlägen; Weiterentwicklung von Ideen; Idea Enhancement Process; Nachhaltigkeits-Checks im Ideenmanagement; Praxisbeispiele

Wenn nur wenige Vorschläge eingereicht werden, ist es umso wichtiger, die in ihnen steckenden Potenziale zu erkennen und auszuschöpfen. Wie der „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023“ zeigt, können die Mehrfachnutzung bewährter Verbesserungen, die Weiterentwicklung vielversprechender Ideen und die Nachverfolgung ihrer Umsetzung geeignete Ansatzpunkte sein, um auch bei geringen Vorschlagsquoten hohe Einsparungen zu erzielen. Selbstverständlich ist das auch sinnvoll, wenn viele Vorschläge eingereicht werden. Als Praxisbeispiel stellen wir den „Idea Enhancement Process“ bei der KSB vor.

Was sich hier lohnt, kann sich auch woanders lohnen

An einer Stelle einsparwirksame Ideen auch woanders umzusetzen, ist ein relativ naheliegender Ansatzpunkt, um möglichst hohe Einsparungen zu erzielen. Er lässt sich mit verschiedenen Methoden fördern:

  • Technische Tools, wie etwa ein „Pattern Matching“, sowie Such- und Abo-Funktionen.
  • Eingabemöglichkeit für Einreicher: „Ist an xxx Stellen anwendbar.“
  • Abfrage bei Gutachtern zu ihrer Einschätzung der „Anwendungsbreite“.
  • Möglichkeit für Gutachter, Ideen als Impuls an andere Stellen zu senden.
  • Schulungen für Führungskräfte und Gutachter, mögliche Synergien zu erkennen.
  • Geregelter Prozess zur Überprüfung von nach bestimmten Kriterien identifizierten Vorschlägen auf ihr Transferpotential (z.B. ab einer Mindest-Einsparung oder nach inhaltlichen Kategorien wie etwa Sicherheit).

Im „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023“ hat über ein Viertel der Teilnehmer angegeben, gute Vorschläge systematisch auf weitere Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen (28% der Produktions- und 25% der Nicht-Produktionsunternehmen). Die Medianwerte der Vorschlagsquote sind in der Teilgruppe „mit“ Prüfung geringfügig höher als in der Teilgruppe „ohne“ – der Medianwert der Einsparungsquote jedoch fast doppelt so groß (siehe Tabelle 1).

Blog 102 1 Prfung 2024 10 29

Tabelle 1: Vergleich der Medianwerte von Vorschlags- und Einsparungsquote zwischen Unternehmen mit und ohne systematischer Prüfung auf weitere Anwendungsmöglichkeiten

 

Den Reifungsprozess von Ideen aktiv fördern

Ideen können auf verschiedenen Wegen angereichert werden:

  • Kollaborativ, etwa in Meetings oder extra dafür organisierten Workshops.
  • Durch Beiträge und Kommentare aus der Community (siehe Praxisbeispiel im Blogbeitrag „Erfolgsfaktor 3/9 – Prozess: Organisation“ zur „Ideenmanagement-Reise“ bei der Generali Deutschland AG).
  • Durch gezielt hinzugezogene Experten.
  • Mit Hilfe der Kompetenzen der sie bearbeitenden Personen (Gutachter, Entscheider, ggf. auch Umsetzer), von denen erwartet werden darf, nicht nur „das Gute“ in einem Vorschlag zu erkennen, sondern sich auch zu fragen, wie aus der vorgeschlagenen Idee „das Beste“ gemacht werden kann.
  • Manche Unternehmen ergänzen das Ideenmanagement auch um einen eigenen Prozess, in dem lohnend erscheinende Ideen gezielt vom Stadium eines ersten Impulses zu einem beurteilungsfähigen Konzept ausgearbeitet werden (siehe nachfolgendes Beispiel der KSB SE & Co. KGaA).

Im „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023“ haben nur 9% der Produktionsunternehmen und 18% der Nicht-Produktionsunternehmen angegeben, den Ansatzpunkt „Weiterentwicklung“ zur Erhöhung der Einsparung bzw. Vorschlagsqualität zu nutzen. Während der Medianwert der Vorschlagsquote in der Teilgruppe „mit“ Weiterentwicklung nur halb so groß wie in der Teilgruppe „ohne“ ist, ist der Medianwert der Einsparungsquote wieder deutlich größer (siehe Tabelle 2).

Blog 102 2 Weiter 2024 10 29Tabelle 2: Vergleich der Medianwerte von Vorschlags- und Einsparungsquote zwischen Unternehmen mit und ohne Weiterentwicklung von Vorschlägen

Offenbar können Weiterentwicklungen bei einer geringen Vorschlagsquote ursächlich dazu beitragen, aus den wenigen Vorschlägen noch so viel herauszuholen, dass im Endeffekt sogar zumindest vergleichbare Einsparungsquoten erzielt werden wie „ohne“ Weiterentwicklungen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein dank Weiterentwicklung gesteigerter Nutzen mehrere Väter hat. Insofern stellt sich die Frage, ob und ggf. in welchem Verhältnis eine evtl. Prämie auf den „Initiator“ und weitere „Contributoren“ aufgeteilt wird (siehe auch Blogbeitrag „Was ist Ideenmanagement? – II. Das Management“). Zur Klärung kann ein „Reifegradfaktor“ helfen, wie ihn manche Unternehmen verwenden, um unausgereifte Vorschläge, die nicht in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden konnten, anders als ausgereifte zu prämieren (siehe auch Abschnitt „2.5.4 Reifegrad-Faktor“ in der Schrift „Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Ideenmanagements in Deutschland“ von Peter Koblank).

Praxisbeispiel: Bei der KSB SE & Co. KGaA wurde ein auf acht bis zehn Wochen angelegter „Idea Enhancement Process“ eingeführt, mit dem ein Ideengeber oder ein Team nach dem Kickbox-Prinzip mit bewährten Methodiken Schritt für Schritt unterstützt werden.

  • Im ersten Schritt des „normalen“ Bewertungsprozesses identifiziert das Ideenmanagement Ideen, die im Stadium, in dem sie eingereicht wurden, nicht begutachtet werden können, oder für die es in der Regelorganisation keine definierten Verantwortlichen gibt. Dabei kann es sich etwa um eine Idee mit einem Innovationsansatz handeln, für den eine Managemententscheidung benötigt wird, damit aus der Idee ein Innovationsprojekt wird.
  • Das Ideenmanagement wendet sich dann an den Ideengeber, informiert ihn über den Idea Enhancement Process und fragt ihn, ob er bereit ist, die Idee mit dieser Unterstützung zu einer fundierten Entscheidungsbasis für das Management weiter zu entwickeln.
  • Unterstützungsangebote bestehen im Coaching durch das KSB Innovation Team, dem Zugang zu externem Coaching und Wissen, sowie Hilfe bei der Suche nach Sponsoren.
  • Nach einem Warm-up zum Start sieht der Idea Enhancement Process eine ca. zweiwöchige Phase zur Konkretisierung des Problems vor, der sich eine ca. vierwöchige Phase zur Ausarbeitung der Lösung anschließt. Je eine weitere Woche ist zur Formulierung des Konzepts sowie zur abschließenden Vorbereitung einer überzeugenden Präsentation im Pitch vor dem Innovation Board vorgesehen.
  • Nach dem Pitch entscheidet das Innovation Board über die weitere Vorgehensweise (z.B. Proof of Concept, Umsetzung im Innovation Lab, spätere Wiedervorlage).

 

Wer länger spart, spart mehr

Dieses Motto galt natürlich nicht in Zeiten von Negativzinsen – aber im Ideenmanagement ist (zumindest in dieser Hinsicht) die Welt noch in Ordnung! Insbesondere bei Vorschlägen mit einem hohen Nutzen kann es sinnvoll sein, nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob der verbesserte Zustand nach wie vor aufrechterhalten wird. Das Risiko eines Rückfalls in den früheren Zustand ist besonders groß, wenn die Verbesserung nicht durch (nur schwer rückgängig machbare) technische Maßnahmen, sondern durch organisatorische Änderungen bewirkt wird.

Im „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023“ hatte nicht einmal ein Zehntel der Teilnehmer angegeben, nach definierten Zeiträumen einen derartigen Nachhaltigkeits-Check durchzuführen (8% der Produktions- und 11% der Nicht-Produktionsunternehmen). Die meisten dieser Unternehmen haben geringere Vorschlagsquoten und nur halb so große Umsetzungsquoten wie die anderen, erzielen aber dennoch fast doppelt so hohe Einsparungsquoten. Aus den (relativ) wenigen umgesetzten Vorschlägen wird offenbar erfolgreich versucht, über lange Nutzungsdauern möglichst viel herauszuholen.

Blog 102 3 Nachhaltigkeit 2024 10 29

Tabelle 3: Vergleich der Medianwerte von Vorschlags-, Umsetzungs- und Einsparungsquote zwischen Unternehmen mit und ohne Nachhaltigkeits-Check nach einem definierten Zeitraum

 

Nachbemerkung

In den beiden früheren Blogbeiträgen „Mehr, besser, lohnender: Wie Sie das Olympische Motto auf Ideen ummünzen“ und „Von Vorschlägen, Kampagnen und Einsparungen: Phänomene und Interpretationen“ habe ich immer wieder zur Vorsicht bei Rückschlüssen aus statistischen Auswertungen geraten. Diese Warnhinweise gelten auch für die hier vorgestellten Ergebnisse, im Interesse eines besseren Leseflusses bündele ich sie hier am Ende:

  • Trotz der Unterschiede von Medianwerten gibt es Unternehmen, die auch „ohne“ dem jeweils genannten Ansatzpunkt hohe Einsparungen erzielen; ebenso, wie es Unternehmen gibt, die „mit“ nur geringe Einsparungen aufweisen.
  • Vertiefende Auswertungen (etwa Betrachtungen der Teilgruppen „mit“ und „ohne“ jeweils getrennt für Produktions- und Nicht-Produktionsunternehmen) sind kaum noch seriös, wenn die Datenmengen in den einzelnen Teilgruppen zu gering werden. Gleichwohl zeigen sich auch hier im wesentlichen dieselben Zusammenhänge wie in den Gesamtmengen.

/Eine vollständige Übersicht aller Ansatzpunkte und ihrer Zusammenhänge mit Kennzahlen finden Teilnehmer am Kennzahlenvergleich 2023 auf den Seites 21-27 ihres individuellen Ergebnisberichts./

 

Auch Ideen können verbessert werden! Eröffnen Sie Möglichkeiten, damit aus vorgeschlagenen Ideen das Beste gemacht und Nutzen an möglichst vielen Stellen und über möglichst lange Zeiten entsteht!

 

Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.

 

Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.

Dr. Hartmut Neckel, Simone Renz

Dr. Hartmut Neckel, Simone Renz

Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr

Kontakt: kontakt@hartmut-neckel.de

 

Simone Renz, geb. 1984, lebt mit ihrer Familie in der Pfalz. Nach der Ausbildung zur Industriekauffrau und einem nebenberuflichen Betriebswirtschaftsstudium startete sie 2011 bei der KSB SE & Co.KG AA zunächst in der Unternehmenskommunikation und im internationalen Marketing. 2020 wechselte sie in die Innovation als Projektleiterin für die Weiterentwicklung / Einführung der internen Ideen- und Innovationsplattform. Seit November 2021 verantwortet sie das globale Ideenmanagement.

Kontakt: simone.renz@ksb.com